Taarof (auch Ta’arof, Tarof oder Tarouf)
Taarof bezeichnet eine in der persischen Kultur tief verankerte und in praktisch allen sozialen Schichten anzutreffende besondere Form des Anstandes und der Ehrerbietung, die jedoch nicht immer aufrichtig gemeint ist.
Kurzum: In der persischen Kultur ist nicht alles Gesprochene für bare Münzen zu nehmen.
Die im Iran weit verbreitete «ritualisierte Höflichkeit» Taarof umfasst einen breiten Komplex von Verhaltensweisen, die oft auch Unterschiede im sozialen Status ansprechen und betonen, wie etwa das Alter oder die berufliche Position des Gegenübers. Diese ungeschriebenen sozialen Regeln manifestieren sich vor allem bei Kontakten zwischen sich nicht nahestehenden Personen. Auch im iranischen Geschäftsalltag kommt dem Taarof eine gewichtige Rolle zu.
Für Touristen auf Iran Reisen sind gewisse Grundkenntnisse (vollständig wird man ihn ohnehin nie verstehen) über den Taarof äusserst wichtig. Ansonsten läuft man Gefahr, in das eine oder andere Fettnäpfchen zu treten. Zudem können so Verhaltensweisen nachvollzogen werden, die sonst eher bizarr anmuten könnten.
Klassische Bespiele für Taarof
Erkundigt man sich bei einem iranischen Taxifahrer bei der Ankunft, wieviel die Fahrt kostet, erhält man als Tourist nicht selten die offenherzig scheinende Antwort “Ghabeli nadar”, was soviel wie «Nichts» bedeutet. Der sympathische und bemüht gesprächige Taxifahrer meint dies jedoch nicht ernst, viel eher handelt es sich um einen reinen Höflichkeitsritus, den er oftmals gar ein- bis zweimal wiederholt. Wird durch den Tourist auf Bezahlung der Taxifahrt hinreichend insistiert – gegebenenfalls zwei bis dreimal –, nennt der Taxifahrer schliesslich den Preis und nimmt die Bezahlung dankend an. Die Einladung des Taxifahrers und die wechselweise dankende Ablehnung symbolisieren einen Ausdruck der Wertschätzung des Gegenübers und der Ehrerbietung, was dem eigentlichen Kerngehalt des Taarof entspricht. Die “Annahme" eines solchen vermeintlichen Angebots gilt als Affront gegenüber dem Taxifahrer.
Es gibt aber auch weniger eindeutige Fälle von Taarof, wo Vorsicht geboten ist. Signalisiert man beispielsweise Gefallen an einem Gegenstand (z.B. am Bazar), könnte das iranische Gegenüber schnell mal versucht sein, diesen als Geschenk zu offerieren. Ob dieses “Angebot” tatsächlich als Geschenk zu verstehen ist, bleibt oftmals unklar. Auch hier ist es ratsam, das Angebot ein- bis zweimal abzulehnen bzw. auf Bezahlung zu beharren. Handelt es sich um ein rein symbolisches Angebot oder nimmt man es zu früh an, führt dies zu einem Gesichtsverlust.
Ist man in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, ist es praktisch sicher, dass einem von iranischen Mitreisenden Verpflegung (meistens Gebäck oder Tee) angeboten wird. Auch hier gilt die Faustregel, wonach das Angebot sicherheitshalber zuerst “abgelehnt” werden soll. Sollte es nach der dritten “Ablehnung” immer noch bestehen, darf und sollte es dankend angenommen werden. Die Annahme des Angebots zum richtigen Zeitpunkt ehrt sowohl den Anbieter wie auch den Gast.
Bei unklaren Situationen ist es durchaus möglich, das Kind beim Namen zu nennen und dem iranischen Gegenüber mitzuteilen, es solle keinen Taarof machen, indem man «Taroof nakon» sagt. Lautet die Erwiderung: «Taarof menikonam», («ich mache keinen Taarof»), dann darf man grundsätzlich auf das Angebot oder die Einladung ohne schlechtes Gewissen eingehen.
Eine weitere zu beachtende Erscheinungsform von Taarof ist das kurze Warten vor einer Türschwelle, wenn man in iranischer Begleitung ist. Diese wird praktisch immer darauf bestehen, dem ausländischen Gast den Vortritt zu gewähren und ihn zuerst passieren zu lassen.