Besteigung des Damavand - meine Erfahrung

Feb 28, 2020

Ich hatte seit jeher eine Faszination für (relativ) hohe Berge. Bereits als Kind kannte ich die Höhe von einem Grossteil der 48 Schweizer Viertausender auf den Meter genau auswendig. Das gleiche galt für die 14 Achttausender, die es auf unserem Planeten gibt. Meine Berg-Faszination war jedoch lange Zeit bloss abstrakter Natur: Stets mit Begeisterung hörte ich mir Geschichten von Hobby-Berggängern über ihre Besteigungen von Fünftausender in den Anden sowie über die äusserst beschwerlichen letzten Meter des Kilimandjaros in Tansania an. Eigene Pläne, mich in hochalpine Höhen zu begeben hatte ich hingegen nie. Dies änderte sich, als ich das erste Mal vom Damavand hörte – ein Vulkan im iranischen Hochgebirge, der angeblich der höchste Berg im Orient sein soll. 

Doch warum gerade der im Vergleich zum Kilimandjaro (in den hiesigen Breitengraden) fast unbekannte Damavand? Was kann der Damavand, was der Kilimandjaro nicht kann, dessen Gipfel ja gut 200 Meter höher liegt?

Ich schätze, aller Anfang machte der Name „Damavand“, dem irgendwie etwas Mystisches anhaftet und mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Zudem war mir als Geographiebanause bislang völlig fremd, dass der Iran nicht nur aus öder Wüstenlandschaft besteht, sondern hohe, sehr hohe Berge beheimatet. Als ich sodann den Suchbegriff „Damavand“ bei Google eingab, schossen mir Bilder eines freistehenden, völlig in weiss gekleideten und kegelförmigen Berges entgegen, der mit einer überragenden Schartenhöhe Seinesgleichen sucht.

Damavand
Aussicht auf dem Weg zum Damavand-Gipfel

Von der Schönheit des Berges verzaubert, informierte ich mich sogleich über die technischen Anforderungen einer Besteigung. Obwohl der grosse Reinhold Messner bei seinem ersten Besteigungsversuch (Winterbesteigung) zufolge schlechten Wetters gescheitert war, meint Wikipedia, dass die Höhe von 5'671 m.ü.M herausfordernd sein kann, der Berg in technischer Hinsicht (zumindest auf der Südroute) jedoch sehr einfach zu besteigen sei. Da ich zudem über den Iran als Reiseland sehr viel Positives vernahm, und ich zudem keine Lust auf Massentourismus hatte, war die Entscheidung sogleich gefallen: Ich werde in den Iran reisen und mich am höchsten Berg des Orients versuchen!

Meine Iranreise begann schliesslich Mitte August 2018 und rund 4 Monate nach meiner Entschlussfassung bzw. meiner Internetrecherche. Entsprechend hatte ich noch Zeit, mich mit moderatem Ausdauertraining etwas in Form zu bringen. 

Und ich möchte es gleich vorwegnehmen. Ich habe es auf den Gipfel geschafft. Und mittlerweile bin ich es, dem die Leute (ohne Höhenerfahrung) fast ehrfürchtig zuhören, wenn ich von der dünnen Luft erzähle, welche die Schritte meiner Gruppe auf den letzten 300 Meter immer schwerer werden liess, von gleissenden, heissen Schwefeldämpfen, welche aus kleinen Löchern hervorschiessen und einem das Atmen noch schwerer machten sowie von kalten Windböen, die uns gnadenlos um die Ohren wehten. 

Die Besteigung des Damavand gehört zu den unvergesslichsten Erlebnissen, die ich in meinen rund 30 Lebensjahren erfahren durfte. Natürlich werde ich von ambitionierten Bergsteigern bei dieser Aussage belächelt. Doch genau darum geht es. Noch nie stand ich auf einem Viertausender, und plötzlich am vierten Tag meiner Iranreise, konnte ich vom höchsten Punkt des Orients auf über 5'600 m.ü.M (wovon rund 2850 Höhenmeter auf mein persönliches Konto gehen) ins schier Unendliche blicken.

Zugestandenermassen war es hart, teilweise sehr hart. Trotz dieser ausgesprochenen Strapazen hatte ich zu keiner Zeit Zweifel, den Gipfel zu erreichen – zu sehr wurde mir und meiner Gruppe von der erfahrenen Bergführerin Zohreh Mut und Zuversicht zugesprochen, zu sehr nahmen wir in einem regelrechten Höhenrausch und angepeitscht von einprägsamen Rhythmen iranischer Volksgesänge Meter um Meter, bis schliesslich die gesamte Gruppe das Ziel erreichte. 

Doch bekanntlich ist der Weg das Ziel. Und so war es auch mit der Besteigung des Davamand. Bereits im Ausgangspunkt Goosfandsarah auf rund 2'800 m.ü.M. machten wir erste Begegnungen mit lokalen Berggängern, deren Freundlichkeit und Offenheit meine bisherige (mediengeprägte) „Iransicht“ erstmals auf den Kopf stellte. Unzählige Male fragten uns die naturverbundenen Iranerinnen und Iraner, woher wir stammen, und fast ausnahmslos wollten sie wissen, wie uns ihr Land gefällt. Nach gefühlt jedem kurzen Schwatz wurde uns zudem Tee und weitere Verpflegung angeboten. Die Leute gaben uns implizit zu verstehen, dass die aktuelle Situation im Land zwar nicht zufriedenstellend sei. Andererseits wurde mir rasch klar, welch' ausgeprägte Verbundenheit die Iraner zu ihrem Land pflegen, und wie sehr sie doch ihr Land lieben. Die herzlichen und offenen Begegnungen mit den lokalen Menschen waren es denn auch, die mich in kurzer Zeit so viel über den kontrastreichen Iran lernen liessen. Das Erreichen des Gipfels wurde beinahe zur Nebensache. Kaum konnte ich es erwarten, mehr von diesem einzigartigen Land zu erfahren und tiefer in die persische Kultur einzutauchen.

Im Anschluss an das Abenteuer am Berg folgte eine achttägige Iranrundreise, welche mich noch fast mehr beeindruckte als die letzten Meter hinauf zum Gipfel. In diesem kulturellen Teil der Reise entspannte ich mich von den Strapazen in den Gärten von Shiraz bei persischer Poesie und Romantik, wurde bei den Ruinen von Persepolis Zeuge antiker Wunder und bestaunte in Isfahan türkisfarbene Kuppeln pompöser Moscheen und die goldenen Decken armenischer Kirchen. 

Der Berg, mit dem alles begann, zeigte mir nicht nur, was alles mit Willenskraft und positiver Einstellung möglich ist. Vielmehr war er das Eintrittstor in ein Land, dessen faszinierende Kultur mich bleibend beeindruckt hat.